Mittwoch, 27. Dezember 2006

Fundstücke

Die Zeit hat eine Reportage über die Reichen am Starnberger See geschrieben - und die Tiefenpsychologie der Reichen. Ein guter Artikel, der gleichzeitig melancholisch und glücklich macht. Melancholisch, weil die Reichen keine Mitmenschen sind, sondern geradezu Störenfriede. Und glücklich, dass man nicht dazugehört.
-----
Die jungeWelt analysiert die Gleichheit von 1800 bis heute, besonders im Hinblick auf die Eisenbahn.
-----
Im Politblog wird gefordert: "Lasst die Holocaustleugner offen reden!" Eine Forderung, der man sich nur anschließen kann.
-----
Jutta Roitsch analysiert die Föderalismusreform.
-----
Die Welt hat ein Jahresrückblickslexikon veröffentlicht, das trotz diverser interpretatorischer Unstimmigkeiten wegen des Humorgehalts dringend empfohlen wird. Beispiele:

Patriotismus, unbeschwerter: 1. Intellektuelle Überhöhung des Karnevals der Kulturen aus der Zeit des Sommermärchens. 2. Vorläufer für Fankrawalle, rassistische Schmähungen und Ausländerfeindlichkeit in unteren deutschen Fußballligen aus der Zeit nach dem Sommermärchen. 3. Besondere Form der Begriffsvermummung. Wer sich ein schwarz-rot-goldene Fähnlein ans Auto klebt, ist kein unbeschwerter Patriot, sondern ein kleiner Spießer, der nichts dringender braucht als ein eigenes Leben.

Prekariat, das: Fremdwort, das die Oberschicht benutzt, damit die Unterschicht nicht mitbekommt, dass die Oberschicht gerade über sie redet

Public Viewing
: englischer Ausdruck für „sich öffentlich auf Großbildschirmen Fußballspiele anschauen“, der nur deshalb nicht deutsches Wort des Jahres wurde, weil er sich auf Deutsch nicht geil genug anhört.

Schröder-Show
, die: Fortsetzung und Vervollkommnung der Gerd-Show. Einst inszenierte Gerhard Schröder lediglich seine Kanzlerschaft für die Fernsehkamera. Heute liest er sogar vor der Fernsehkamera vor, wie er einst seine Kanzlerschaft für die Fernsehkamera inszenierte.

Sommermärchen, das: 1. Unerwarteter Erfolg jener Klinsmannschaft, der im Frühjahr noch ein Sommeralbtraum prophezeit wurde. 2. Im fußballerischen Trübsinn von Champions League und Uefa-Cup vorzeitig verblasster Mythos. 3. Fanfilm, der darunter leidet, dass der Filmemacher mehr Fan als Filmemacher war. 4. Klimatischer Vorbote der Winterhitze.

Totenschädel, der: unverzichtbares Utensil, wenn deutsche Soldaten in Afghanistan mal wieder ihrem Hang zur Weltliteratur nachgehen und, so zum Zeitvertreib, die erste Szene des dritten Aktes von William Shakespeares „Hamlet“ aufführen. Schließlich sind Soldaten ja Bildungsbürger in Uniform.

Unterschicht
, die: 1. Begriff, der Beck, Kurt rausgerutscht ist, weil ihm Prekariat gerade entfallen war. 2. Das, was es laut dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, gar nicht gibt – kurioserweise aber seinen Haushalt dramatisch belastet.

Urlaubsverzicht, der: 1. Interessanter Vorschlag von Finanzminister Peer Steinbrück, der bestens geeignet scheint, die Erosion der Volkspartei SPD weiter zu beschleunigen. 2. Interessanter Vorschlag von Finanzminister Peer Steinbrück, der bestens geeignet scheint, intensiv an den handwerklichen Mängeln der großen Koalition zu arbeiten

WM-Fieber, das: Deutschlandweite Epidemie, die das Feierstoppzentrum im Hirn angreift und einen für vier Wochen vergessen lässt, von wem man eigentlich regiert wird

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.