Freitag, 23. März 2007

Zur Korandebatte

Was wird nicht alles für Unsinn geschrieben und gesagt dieser Tage über das angebliche Koran-Urteil der Richterin Datz. Diese habe, so der stete Vorwurf, eine marokkanischen Ehefrau mit Verweis auf die durch den Koran legitimierte Praxis zu deren prügelndem Ehemann zurückgeschickt.
Dabei ist das von der Wahrheit weit entfernt. Die Frau lebt seit Mai 2006 von ihrem Ehemann getrennt und beantragte einen Härtefall, um vor Ablauf des obligatorischen Ehejahrs von ihrem Mann getrennt werden zu können, das im Mai 2007 ausläuft. Da die Richterin gegen diesen bereits ein Kontaktverbot ausgesprochen hatte, das das Nähern auf 50m beinhaltet, sah sie diesen Härtefall nicht als gegeben an und lehnte den Antrag ab. Das sind die unbestrittenen Fakten.
Ebenso unbestritten ist die durchaus strittige Begründung der Richterin. Da Ehemann und Ehefrau aus dem marokkanischen und damit muslimischen Kulturkreis entstammen und das Prügeln der Ehefrau durch den Koran legitimiert sei, liege kein Härtefall vor - die Frau sei das ja gewohnt und die Schutznaßnahmen ausreichend.
Nicht nur der letzte Halbsatz wird gerne weggelassen. Sämtliche Politiker, Aktivisten und Journalisten (im weitesten Sinne), die sich gerade über diesen Fall ereifern, konstruieren gerne das falsche Bild einer Richterin, die die Frau zurück zu dem prügelnden Mann sendet - aus ganz unterschiedlichen Positionen und Intentionen. Unter den Kritikern finden sich Muslime, Feministen und konservative Christen in seltener Eintracht vereint.
Die Feministen befinden sich dabei in der schwierigsten Position - wurde das Urteil doch von einer Frau gefällt. So können sie nur mit allenfalls halber Kraft gegen den Islam feuern und mit Wortakrobatik die Richterin als Fakt einfach ausklammern - was bisweilen zu wirklich komischen Reaktionen führt.
Die Muslime spalten sich in zwei Gruppen: die abgeschworenen Muslime, säkular, liberal und intellektuell nutzen die Gelegenheit, sich zu profilieren und gegen den Islam zu wettern, dem sie längst abgeschworen haben (weswegen auch ihre Bezeichnung an und für sich widersinnig ist). Die eher konservativen und praktizierenden Muslime schweigen bislang eher.
Die konservativen Christen, besonders aus dem Umfeld der CDU/CSU und diverser Internetnetzwerke wie Honestly Concerned, Politically Incorrect oder der Achse des Guten sind diejenigen, die sich am medienwirksamsten in Pose setzen - Kunststück bei der Medienmacht, die sie auf sich vereinigen. Sie instrumentalisieren den Fall wie die vielen anderen Fälle zuvor und versuchen durch einseitiges Weglassen von Fakten und Verdrehen der Wahrheit, bisweilen sogar Lüge, Präzedenzfälle zu konstruieren, die ihnen als Munition für den "Kampf der Kulturen" dienen - einen Kampf, der bisher nicht stattfindet. Genau das wurmt die konservativen Christen am meisten. Trotz aller "Beweise" für ein "Einknicken" des Rechtsstaats vor den "Fundamentalisten" gelingt es ihnen nicht, den "Kulturkampf" vom Zaun zu brechen. Dabei steht ihnen auch ihr eigenes Selbstverständnis im Weg. Sie betrachten sich als Vorkämpfer der säkular-liberalen westlichen Zivilisation, als Verteidiger des Rechtsstaats, und übersehen dabei völlig, dass sie selbst Fundamentalisten sind - Mehrheitsfundamentalisten gewiss - Deutschland besteht zum überwiegenden Großteil aus Christen -, aber dennoch Fundamentalisten. In ihrem Eintreten gegen den Islam, seine (angeblichen) Werte und seine Symbole vertreten sie meist noch im selben Atemzug eine Stärkung des Christentums, seiner (angeblichen) Werte und seiner Symbole, und sei es nur das Aufhängen von Kruzifixen in der bayrischen Pampa.
Diese Entwicklung ist aus vielerlei Gründen gefährlich. Der "fundamentalistische Islam", dessen Anhänger meist pauschal als "Islamisten" abqualifiziert werden, existiert so nur in der Vorstellungswelt der christlichen Fundamentalisten. In ihrer Vorstellung stemmt sich dieser Fundamentalismus den aufgeklärten und "guten" Werten des Westens gegenüber. Aber der Islam ist nicht homogen. Man muss nur einen Blick auf die zahlreichen Strömungen des Christentums werfen um zu erkennen, dass sich eine Religion zersplittert. Und im Islam ist der Konflikt um ein vielfaches schärfer, wie die Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten gerade im Irak zeigen.
Um auf den aktuellen Fall zurückzukommen: das Urteil der Richterin ist aus mehreren Gründen falsch. Nach Ansicht von Experten wurde es aus Bequemlichkeit gefällt, da eine Gefährdung dank des Kontaktverbots nicht gegeben war und sich die Sache im Mai ohnehin erledigt hätte. Doch das ist nicht der springende Punkt. Die Richterin, die von den konservativen Christen gerade so angefeindet wird, ist in Wahrheit eine der ihren. Ohne tatsächliche Grundlagenkenntnis argumentierte sie mit einem Bild des Koran und der muslimischen Welt, das der Wirklichkeit in keiner Sekunde standhält. Das Eherecht in Marokko ist eines der säkularsten überhaupt; es entspricht unseren Standards im wesentlichen vollkommen. Schon allein diese Begründung ist falsch. Zum anderen ist die Amateuerexzegese, die Datz am Koran zu leisten versucht zumindest umstritten, denn einen klar definierten Passus im Koran, der das beständige Prügeln der Frau durch den Mann vorsehen würde gibt es nicht. Und zum dritten lebt das Ehepaar seit ihrer Geburt in Deutschland, war also nie Mitglied des "marokkanischen Kulturkreises", auf den die Richterin sich bezieht.
Der Rechtsstaat hat im Übrigen wunderbar funktioniert. Die Anwältin der Betroffenen stellte warf der Richterin Befangenheit vor, der daraufhin der Fall entzogen wurde. Spätestens in der nächsten Instanz wäre das Urteil ohnehin nichtig gewesen.
Doch dieses Ende ist den "Kulturkämpfern" natürlich nicht dramatisch genug, es bestätigt in keinster Art und Weise ihr beständiges Credo von einem Einknicken des westlichen Rechtsstaats gegenüber des islamischen Fundamentalismus'. Deswegen wurde es nötig, diesen Medienzirkus mit vollkommen falschen Argumentationen zu entfachen und all die Fälle aus der Vergangenheit wieder herauszukramen, in denen der Staat angeblich auch "einknickte". Solche Fälle gibt es, ohne Zweifel. Doch nicht immer ist es der fundamentalistische Islam, vor dem der Rechtsstaat einknickt.

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