Mittwoch, 24. September 2008

Fundstücke 24.09.2008, 16.34 Uhr

Zumwinkel will nicht mehr am Pranger stehen
SZ - "Weltweit" habe Zumwinkel, dessen Millionen-Versteck bei der LGT-Bank in Liechtenstein im Februar publik geworden war, am Pranger gestanden. Der Anwalt listet in dem vierseitigen Brief die Namen der Bundespolitiker auf, die sich über den angeblichen "Sozial-Schmarotzer" empört hatten. Feigen weist darauf hin, dass das ZDF morgens live bei der Hausdurchsuchung dabei war und appelliert an die Justiz, "zu erwägen", auf eine Hauptverhandlung gegen den früheren Postchef zu verzichten.
Anmerkung: Nur verständlich, aber es wäre ein unrechtmäßiges Freikommen. Genau die gleiche Argumentation hätten die U-Bahnschläger seinerzeit auch bringen können, aber die wären nur ausgelacht worden. Gleiches Recht muss für alle gelten, auch wenn sie Multimillionäre sind.
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Was das Kapital darf
FR - Regulierung ist urplötzlich wieder schick. Die Kanzlerin will die Finanzmärkte an die Kandare nehmen, das EU-Parlament möchte den Hedgefonds und den Finanzinvestoren an den Kragen, und die britische Regierung würde am liebsten die hohen Boni der Banker verbieten. Leerverkäufe, also Wetten auf fallende Aktienkurse, sind über das Wochenende von den westlichen Staaten schon mal im Handstreich untersagt worden. All dies ist kein Wunder angesichts des kompletten Versagens fast vollkommen freier Kapitalmärkte. Doch die Regulierungsvorschläge greifen viel zu kurz.
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Hände hoch für Ypsilanti
FR - Am nächsten Dienstag könnte die SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti ein bisschen schlauer sein. Dann weiß sie, ob die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken wirklich bereit sind, sie im November zur Ministerpräsidentin zu wählen.Alle drei Fraktionen beschlossen gestern, in der nächsten Woche geheime Probeabstimmungen zu machen. SPD-Sprecher Gert-Uwe Mende sagte, die Fraktion gebe damit ein Signal, ob sie bei Zustimmung eines SPD-Parteitags und bei erfolgreichen Koalitionsverhandlungen zur Wahl Ypsilantis mit den Linken bereit sei.
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Das Casino kracht zusammen. Croupière Merkel flüchtet sich durch den Hinterausgang.
NDS - Angela Merkel beschuldigt die US-Regierung der Mitschuld an der Finanzkrise. Sie und die britische Regierung seien nicht bereit gewesen, die notwendige Regulierung mitzumachen. Die Kritik an den USA und Großbritannien ist sicher berechtigt. Aber: Da versucht sich jemand aus der Verantwortung zu stehlen, die im Spiel bisher mitgemacht hat und dieses sogar intensivieren wollte.
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Ansichten eines Büttels
ad sinistram - Ich las damals voll Erstaunen, dass man einige Unglückliche sogar wegen Mordes, nicht nur wegen des angeblichen Versuches dazu, zu lebenslanger Haft verurteilt hat.Zurecht? Ich bitte Sie! Wir haben damals nur das geltende Recht angewandt. Jemanden die finanzielle Grundlage zu entziehen war eben Usus. Frei darüber entscheiden durften wir nicht; immerhin gab es dieses ominöse Gesetzbuch, dessen Namen - oder Abkürzung besser gesagt - man ja heute als Inbegriff sozialpolitischer Teufelei brandmarkt. Außerdem ist das Entziehen der finanziellen Mittel bei weitem kein Mord...... einem das Brot entziehen? ... in eine schlechte Wohnung stecken? Ach, Sie zitieren Brecht, nicht wahr? Hören Sie mir mit dem auf! Überhaupt sollten Sie hier nicht so dreist anderer Leute Hirngespinste runterbeten. Ich habe mich nie als potenzieller Mörder gefühlt, ganz einfach deshalb nicht, weil ich keiner war. Das Gesetz gab mir die Mittel in die Hand und ich mußte sie anwenden. Punkt - so war das eben! Hören Sie nochmals ganz genau zu, junger Mann: Ich mußte sie anwenden. Ich mußte! Verstehen Sie das?
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EU fasst Banken mit Samthandschuhen an
Focus - Weil europäische Banken leichtfertig Milliarden verzockten, sollten die Regeln in der EU ursprünglich deutlich schärfer werden. Doch plötzlich rudern die Politiker zurück.
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Einstürzende Weltbilder
Tagesspiegel - Plötzlich fehlt der Ungerechtigkeit die rechtfertigende Lehre, und in das Vakuum stößt, um die Schreckstarre dauerhaft zu machen, das überwältigende Gefühl kompletter Ahnungslosigkeit. Wie groß die Krise ist, ob die Hilfspakete reichen, eine Rezession folgt oder gar eine Depression: kann sein, kann nicht sein. Keiner weiß es. Alle tappen im Finsteren. Das Prinzip Hoffnung ersetzt das Prinzip Wissen. Bricht die Konjunktur ein? Steigt die Arbeitslosigkeit? Und dann die bange Frage: Bin ich morgen noch in Lohn und Brot, wie es einst altmodisch hieß, als Arbeit noch das Prädikat „rechtschaffen“ trug? Schicksal, Naturkatastrophen und Zufälle gab es immer. Man arrangierte sich mit ihnen. Aber es gab sie in einer Welt, die halbwegs überschaubar schien, sicher und gestaltungsoffen. Auch diese Welt bricht gerade zusammen. Über ihren Schutt legt sich blanke Wut.
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Der Tod der Schattenbanken
FTD - Der beschleunigte Run führt zum Zerfall des Schattenbankensystems. Werden die Einlagensicherung und die Refinanzierung der letzten Instanz auf noch mehr Mitglieder dieses Systems ausgedehnt, müssen sie wie Banken reguliert werden, um Moral Hazard zu vermeiden. Natürlich fordert die Krise Opfer auch unter traditionellen Banken - Hunderte sind insolvent und müssen schließen.
Realwirtschaftlich wird es eine schwere US-Rezession geben. Dominoeffekte, der starke Euro, sinkende US-Importe, das Platzen der Häuserblasen in Europa, teures Öl und die Politik der EZB-Falken werden eine Rezession in der Euro-Zone, Großbritannien und den meisten Industrieländern auslösen.

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"Unglaubliche Blauäugigkeit"
MM - Der Schlüssel zu diesem Verhalten ist der Mythos vom freien Markt. In vielen Bereichen und gesellschaftlich eingebettet ist die Marktsteuerung erfolgreich. Aber dieser Erfolg ist nicht auf alle wirtschaftlichen und politischen Bereiche übertragbar - genau das will vielen nicht einleuchten.
Dann kamen diese neuen Produkte mit ihren verteilten und verbrieften Risiken hinzu, deren Funktionsweise nur die wenigsten Akteure verstehen. Dennoch ließ man hier die Marktkräfte frei spielen - ohne die Folgen auch nur erahnen zu können. Das ist der Punkt, da Finanzexperten wie auch Politiker ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben; das ist der Punkt, wo sie ihrer Verantwortung nicht nachgekommen sind, die Folgen ihres Handelns abzuwägen und dafür einzustehen.

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"Es wird eine tiefe Rezession kommen"
Handelsblatt - Die Rezession wird unzählige Firmen in den Bankrott treiben, insbesondere in Ländern, wo sich die Unternehmen in den letzten Jahren zusätzliche Schulden aufgeladen haben. Auf lange Sicht wird die Finanzindustrie so reguliert werden, dass sie keine hohen Gewinne mehr erwarten darf. Es geht wieder zurück zum guten alten Bankgeschäft.
Wird die dominierende Rolle des Dollars durch die Krise gefährdet?
Ja, das wird sie. Den USA wird nichts anderes übrigbleiben, als zu inflationieren und sich auf diese Weise vom erdrückenden Gewicht ihrer zu hohen Verschuldung zu befreien, eine Art versteckter Staatsbankrott. Zwischenzeitlich wird der Dollar wohl noch einmal stark werden, weil sich der Außenhandelssaldo stark verbessert. Aber früher oder später wird die Flucht aus dem Dollar einsetzen.

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Krisenbewältigung auf deutsche Art
FTD - "Wir lösen die Probleme dann, wenn sie da sind." Peer Steinbrück am 20. Juli zur Gefahr einer Konjunkturkrise und möglichen Konjunkturpaketen.
"Bessere Regeln helfen nicht, weil die Krise bereits da ist." Ein Sprecher von Peer Steinbrück gestern zu möglichen Reaktionen auf die aktuelle Krise.
Manches bedarf keiner weiterer Kommentare.

Anmerkung: Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Peer Steinbrück ist eine inkompetente Flasche.
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Krise ist kein Grund für Lohnzurückhaltung
BZ - Die Forderung der IG Metall nach einem Lohnplus von acht Prozent mutet nur auf den ersten Blick übertrieben an. Schon seit Wochen hält die internationale Finanzkrise die Welt in Atem. Der Euro steigt, ebenso der Ölpreis - beides belastet die deutsche Wirtschaft stark. Doch sind die Gewerkschafter weit davon entfernt, ihren Sinn für die Realität zu verlieren. Gerade der als ausgesprochener Pragmatiker geltende Gewerkschaftschef Berthold Huber wird es kaum riskieren, sich nur um des Effektes Willen in vollkommen überzogene Forderungen zu verrennen, die er am Ende nicht durchsetzen kann.
Huber sieht die Belastungen der Wirtschaft, aber er sieht auch einen Nachholbedarf der Beschäftigten: Um 220 Prozent beziffert er das Gewinnplus der Unternehmen in der Aufschwungphase zwischen 2004 und 2007. Das Einkommen der Arbeitnehmer sei im gleichen Zeitraum lediglich um effektiv 8,7 Prozent gestiegen.

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Bachelor-Studium eine Sackgasse?
TP - Neun Jahre nach dem Start und gut ein Jahr vor der geplanten Vollendung des Bologna-Prozesses sieht der Verband die ehrgeizige Strukturreform als "weitgehend misslungen" an. Die wichtigsten Ziele seinen "bestenfalls partiell und in Ansätzen" erreicht worden, weil es bislang nicht gelungen sei, einige der wichtigsten Aufgaben zufriedenstellend zu lösen.
So könne von einem europäischen Hochschulraum schon deshalb keine Rede sein, weil die einzelnen Studiengänge mittlerweile so spezialisiert sind, "dass bereits ein innerdeutscher Studienortwechsel während des Bachelor-Studiums nahezu unmöglich ist."

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Schafft die Zentralbanken ab!
SZ - Wir befinden uns in der größten Krise seit Bestehen des modernen Geldsystems. Die Wall Street, bis vor kurzem wichtigstes Finanzzentrum der Welt, ist pleite. Zur Rettung des Bankwesens will der amerikanische Staat mehr Geld ausgeben als je zuvor in so kurzer Zeit. Es geht nicht anders, sonst gehe die Welt unter, rufen Notenbanker und Politiker all jenen zu, die Zweifel an dieser neuen Art des Sozialismus erkennen lassen.
Anmerkung: Irgendwie ist es gerade Mode, "Sozialismus" auf jeden staatlichen Eingriff zu kleben. Da wirkt man dann total intellektuell oder so.
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Kurt Beck sieht "Halbverrückte" am Werk
SZ - Zum Spott über sein Äußeres sagte der SPD-Politiker: "Wenn das über eine Frau gesagt oder geschrieben worden wäre, wäre es blanker Sexismus gewesen." Im Vorwurf, ein Provinzler zu sein, stecke sowohl kulturelle wie soziale Herablassung.
Er fürchte, dass es Politiker aus der Provinz künftig "sehr schwer" haben würden in der Bundespolitik. "Das halte ich für ganz schlimm. Das Spektrum von Leuten, die neue Ideen und Sichtweisen einbringen, wird immer enger."
Er frage sich manchmal, welche Chancen heute Herbert Wehner und Franz Josef Strauß noch hätten. "Ich fürchte: keine."

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Eine Frage der Verhältnismäßigkeit
SZ - Nach seinen Worten ist es eine Frage der Verhältnismäßigkeit, inwieweit im konkreten Fall auf solche Quellen [unter Folter im Ausland erpresste Informationen, Anm. d. Verfassers] zurückgegriffen werden darf. Dabei müsse einerseits das Gewicht des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften, andererseits aber auch die Schwere der aufzuklärenden Straftat in die Abwägung einbezogen werden.
Wenn die Informationen danach verwendbar seien, sollten die Ermittler darauf auch "strafprozessuale Zwangsmaßnahmen" - beispielsweise Hausdurchsuchungen oder Telefonüberwachungen - stützen können, forderte der Bundesanwalt.

Anmerkung: Nein, das ist keine Frage der Verhältnismäßigkeit. Wenn erst einmal Ausnahmen geschaffen werden, werden diese bald zur Regel.
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Hohe Löhne für gute Laune
SZ - Genau an diese Stelle passt die Lohnforderung der IG Metall. Acht Prozent mehr wollen die Metaller. Am Ende dürften vielleicht 3,5 bis vier Prozent dabei herum kommen, kaum mehr als der Inflationsausgleich. Nichtsdestotrotz sind hohe Lohnforderungen gerechtfertigt wenn nicht sogar geboten. Vor allem dort, wo es einer Branche noch gut geht und auf absehbare Zeit gut gehen wird. Die Metallverarbeiter gehören eindeutig dazu. Wenn die mehr Lohn bekommen, dürften sie die neu gewonnene Kaufkraft umgehend in Konsum umsetzen. Das ist sogar ziemlich sicher. Einem Facharbeiter mit Familie, der auf 1800 Euro Netto im Monat kommt, bleibt schon heute nicht viel für die hohe Kante. Die hohen Energiepreise haben die Situation noch verschärft. Hohe Lohnabschlüsse können also, wenn es gut läuft, die Konjunktur stützen. Das schafft bessere Laune bei Arbeitnehmern und Unternehmern. Und wo die Laune gut ist, laufen auch die Geschäfte besser.
Anmerkung: Zeit wird's, dass sich die Erkenntnis endlich mal verbreitet. Warum erst jetzt?
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Deutsches Sittengemälde
SZ - Es geht wieder mal um den Verdacht der Steuerhinterziehung im großen Stil, das Anlagevermögen wird auf eine Milliarde Euro geschätzt. Wieder ist der Tatort Liechtenstein. Alle potentiellen Täter hatten Konten bei der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) in Vaduz. Die Karte ist ein Panorama der Vermögensverhältnisse in dieser Republik geworden: Die meisten Einträge finden sich im Süden, im Südwesten und entlang des Rheins. In München 220, in Stuttgart 171 und in Frankfurt 87. In Ostdeutschland hingegen ist weitgehend Ebbe.
Anmerkung: Was für eine Überraschung?
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"Attentätern nicht in die Hände spielen"
SZ - Verteidigungsminister Franz Josef Jung warnt davor, die Bundeswehr wegen der Anschläge auf deutsche Soldaten aus Afghanistan abzuziehen.
Anmerkung: Jung hat Recht. Das ist das Problem. Denn die Bundeswehr befindet sich in einer Zwickmühle: zieht sie ab, ist das Land ein Chaoshaufen. Bleibt sie da, ist das Land ein Chaoshaufen.

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