Dienstag, 12. Mai 2009

Die Ursachen und Konsequenzen des Linksrucks [UPDATE]

Wie der geneigte Leser vielleicht bereits festgestellt hat, habe ich im Gegensatz zur sonst üblichen Praxis den "Linksruck" in der Überschrift nicht in Anführungszeichen belassen, war er doch beständig von Union und FDP als Kampfbegriff genutzt worden, um die SPD weiter zerreiben zu können. In diesem Beitrag soll es um die veröffentlichten Wahlprogramme der LINKEn und der Grünen gehen, die beide einen unübersehbaren Linksruck aufweisen.
Beide Programme weisen den jeweiligen Parteien den Weg in die Opposition. Es müsste schon noch einen bemerkenswerten Umschwung der öffentlichen Meinung geben, der eine oder sogar beide Parteien an die Regierung bringen könnte. Wie Spiegelfechter bereits festgestellt hat, wetterleuchtet die Große Koalition am Horizont. Andererseits hat sie das natürlich 1969 auch. Ich halte die Entscheidung, die die beiden Parteien mit diesem Programm getroffen haben, jedoch für absolut verständlich und will im Folgenden die Grundlagen dieses Verständnisses darlegen.
Mit dem Einbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 wäre eigentlich zweierlei zu erwarten gewesen: zum einen, dass die FDP und die Union in den Umfragen verlieren und zum anderen, dass die LINKE und die SPD gewinnen, erstere in stärkerem Maße als letztere. Doch beides ist nicht passiert. Obwohl Steinbrück in einem Kabinett der Inkompetenz noch einen recht ungebrochen guten Ruf genießt, erfreuen sich die Union und die FDP noch immer relativ hoher Zustimmungswerte und einer Unterstellung hoher wirtschaftlicher Kompetenz. Die FDP fällt dabei besonders aus dem Rahmen, denn ihr aktuelles Wahlprogramm, falls man es überhaupt so nennen kann, ist nachgerade lächerlich. Die LINKE kann sich anstrengen wie sie will, das Programm der Liberalen lässt sich an Weltferne und Unrealismus kaum überbieten. Mitten in der größten Finanzkrise will die FDP Steuern senken UND den Staatshaushalt konsolidieren UND Wachstum schaffen. Wie das gehen soll, steht in den Sternen, und eigentlich schert sich auch kaum einer drum, dass hier die Quadratur des Kreises versucht werden soll. Darum geht es aber auch gar nicht, denn die FDP bietet, was die anderen Parteien haben vermissen lassen: ein klares oppositionelles Profil, und eine gewisse Verlässlichkeit. Besonders die SPD ist mit ihrem staatstragenden Habitus derzeit nicht auch nur ansatzweise in der Nähe eines klaren Profils, und für die Union gilt mit Abstrichen das Gleiche.
Die LINKE hat auf die Finanzkrise damit reagiert erst einmal genüsslich festzustellen dass sie die ganze Zeit Recht hatte und die Regierungsprogramme zu kritisieren. Dummerweise scheint sie dabei den Eindruck erweckt zu haben, tatsächlich bereit zu sein, die Krise zu lösen, einen Eindruck, den man der FDP wahrlich nicht vorwerfen kann. Absurderweise hatte dies einen Absturz in den Umfragen zur Folge.
Wenn nun also die Grünen und die LINKE in ihren Programmen einen Linksruck vollziehen, der viel von der vergangenen Politik geradezu brutal umreißt (das gilt besonders für den Landesverband der LINKEn Berlin), dann ist das nur konsequent. Die Medien haben die Seriosität, die beide Parteien an den Tag gelegt haben, ihre vielen Statistiken, Lösungsvorschläge und ähnliches ohnehin nicht goutiert, sondern sich auf die Symbole der FDP gestürzt. Was soll's also - man hisst die Flagge und trommelt auf ein Programm, von dessen Undurchsetzbarkeit man eh weiß (ohne dabei die Frage zu streichen, wie sinnvoll die darin erhobenen Forderungen sein mögen. Weder ist das massive ökologische Investitionsprogramm der Grünen mit SPD, FDP oder Union zu machen noch die gewaltigen Investitonsprogramme der LINKEn, die übrigens hier von Wolfgang Lieb analysiert werden), um wenigstens die Stammwählerschaft und, natürlich, die Protest- und Nichtwähler zu den Urnen zu bringen. Der zumindest gefühlte Pragmatismus der Legislaturperiode nähert sich seinem Ende.
Kommt es tatsächlich zu einer Neuauflage der Großen Koalition, wird deren Handlungsspielraum sich vermutlich deutlich verengen, da niemand den staatstragenden Habitus goutiert hat, mit dem effektiv alle Parteien außer der FDP dieser Tage vonstatten gegangen sind, eine Lehre, die die SPD bereits in den 1950er Jahren und die CDU in den 1970er Jahren machen musste: der Wähler will Fundamentalopposition, gleich wie vernünftig irgendetwas in Wahrheit wäre. Von daher bekommt er nun, was er wollte.

UPDATE: Telepolis hat auch was zum Thema.

1 Kommentar:

  1. @Oeffinger Freidenker

    Ich denke einmal, dass der Linkspartei, mit den derzeit herrschenden neoliberalen Parteien im Berliner Reichstag, nichts verbindet, und daher hat die sich völlig zu Recht auf Opposition verlegt ;-)

    Ich erlebte übrigens am 01. Mai dass ein GRÜNER, der Bürgermeister in Freiburg im Breisgau war, und die städt. Wohnungen Finanzhaien ausgeliefern wollte, was wegen massivsten Protesten der Betroffenen scheiterte, die Wohnungen bleiben städtisch, hinstand und so tat als würde ihn dies nichts angehen bzw. als hätte ein anderer seine Beschlüsse verbockt. Soll heißen, ich erlebte hier im Kleinen was ein GRÜNER so als Wendehals betreibt, die GRÜNEN in der Bundespolitik sind auch nicht besser, die tun nun so als hätten die nie mit Joschka Fischer und Gerhard Schröder mitregiert. Die SPD ist auch nicht besser. Andere Parteien, CDU und FDP, erlebte ich als Baden-Württemberger schon gar nicht am 01. Mai, die sind traditionell ja den Arbeitgebern verhaftet, wie nun auch die SPD und die GRÜNEN. Der Versuch die Wähler zu täuschen schlägt bei beiden Parteien nach hinten los, den eben obigen Satz hörte ich öfters bei der Maiveranstaltung - "Die tun so als hätten die nie regiert...", d.h. die Normalwähler/-wählerin sind nicht so dämlich wie Steinmeier und der gute Özdemir die gerne hätten. Ich geh mal davon aus, dass bei einer Neuauflage der rot-grünen Regierung, was ja unwahrscheinlich ist, alle Wahlversprechen und -programme wieder vergessen sind, und man sich der Finanzindustrie andient. Nichts für ungut, aber Wahlprogramme halte ich seit 10 Jahren für reine Makulatur, es wird nichts davon umgesetzt, und wenn die betreffende Partei dann gewählt ist heißt es "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern" (ich glaub der Satz stammt sogar vom CDU-Altkanzler Adenauer).

    Die Politik(er)verdrossenheit kommt ja gerade daher, dass man VOR der Wahl sozial sein will und nach der Wahl z.B. HartzIV und andere soziale Grausamkeiten (im Rahmen der Agenda2010) umgesetzt hat.

    Zum Schluß verweise ich eigentlich nur noch darauf, dass es eben nicht aufgeht das oben erwähnte Kalkül - wie ich am 01. Mai bemerkte als der grüne Redner ausgebuht wurde.

    Gruß
    Nachdenkseiten-Leser

    PS: Ob die Linke sich in Richtung unsozial wendet hat die ja bereits ausgeschlossen, da die auf Opposition - und nicht wie in Berlin mit Wowereit - auf Regierung setzt ;-)

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