Dienstag, 9. Juni 2009

Die verpassten Chancen

Dass die SPD bei den Kommunal- und Europawahlen die wahren Tiefen ihres "Fahrstuhls" nach unten weiter ausloten würde war mir von vornherein klar. Auch dass die CDU über 35% oder die FDP und Grünen über 10% bleiben würden war abzusehen, daran hat auch der sicher bald vergessene Skandal um Koch-Mehrin nichts geändert. Es war auch abzusehen, dass die LINKE ein nur schlechtes Wahlergebnis einfahren würde. Ihr will ich meine Aufmerksamkeit in diesem Artikel widmen, denn beim Rest ist ohnehin Hopfen und Malz verloren. Deswegen zu Beginn nur kurz zu den anderen fünf Parteien:
Die CDU hat, wie immer, einen solide-inhaltsleeren Wahlkampf geführt. Patriotismus (und bei der CSU Türkenfeindlichkeit) und Merkel sowie die Schwäche der SPD waren die treibenden Elemente des Wahlkampfs. Entsprechend ist das Ergebnis: ein Verlust, aber vor der relativen Schwäche der SPD und wegen des Hauptnutznießers FDP, dem strategischen Partner, nicht ernst zu nehmen.
Die FDP hat weniger gut abgeschnitten als die Umfragen suggerierten, was ebenfalls keine große Überraschung ist: das Herumgegüllnere kann eben nicht darüber hinwegtäuschen, dass die FDP in keinster Weise eine Antwort zu bieten hat und derzeit hauptsächlich Protestwähler der CDU abzieht, die noch viel weniger einen kompetenten Eindruck zu erwecken weiß.
Die SPD versuchte den Spagat zwischen Krisenmanagern und Wahlkämpfern und scheiterte erwartungsgemäß. Gleichwohl ihre "[Gegenstand] würde [Partei] wählen"-Plakate von einem nicht zu verachtenden Witz und einer neuen Frische waren, konnte die gesamte Kampagne sich ihrer zwitterhaften Verharrung nicht verbergen: was die SPD fordert, weil der Zeitgeist es zu erfordern scheint, ist nicht aufrichtig. Niemand in der SPD-Chefetage steht hinter diesen Forderungen, und auf den Krisenmanager-Plakaten, wo Schulz und Steinmeier paradierten und staatsmännisch dreinblickten, wurde dies auch allzu offenkundig.
Die Grünen fuhren zu Recht den größten Erfolg bei dieser Wahl ein. Ihre Kampagne war jugendlich und sie vertraten als einzige echte Inhalte mit ihrem Programm des Green New Deal, dessen relativ komplexe Zusammensetzung sie in dem Slogan "Wums" zusammenfassten (Wirtschaft und Umwelt, menschlich und sozial). Sie vereinten viele Stimmen der gebildeten, unter 40jährigen auf sich.
Die LINKE denn hat sich ihr schlechtes Wahlergebnis absolut selbst zuzuschreiben. Im besten "Ein Opa für Europa"-Stil wurde Bisky, großväterlich von Plakaten blickend, Spitzenkandidat, ohne dass man irgendwie wüsste, für was er stünde oder was es rechtfertigen würde, ihm seine Stimme zu geben. Tatsächlich gibt es auch nichts, was dies rechtfertigt; offenkundig wurde hier nur ein störendes Alt-Element der PDS entsorgt. Die Plakatierung in weiß auf blau war zwar eine nette Abwechslung zum sonst dominierenden hässlichen gelb auf rot, aber die Assoziation zur Europafahne erfuhr ich aus der Zeitung. Erschlossen hat sie sich mir nicht. Auf den kleinen Wahlplakaten, von denen immerhin eine vernünftige Anzahl geklebt worden war, fanden sich in großen Lettern Slogans, die zwar mehr Inhalt hatten als die der CDU, SPD und FDP zusammen, aber dieses Merkmal mit denen der Rechtsextremen teilten - ebenso wie ihre äußerliche Form. Plattitüden wie "Millionäre zur Kasse" oder "Raus aus Afghanistan" klingen nach den Republikanern, nicht nach einer Partei, die irgendwelche Lösungen für die Krise anzubieten hätte oder wüsste, was sie nach einer erfolgreichen Wahl eigentlich tun soll. Es sind klar Werbephrasen einer Oppositionspartei, die auch entschlossen ist, dort zu bleiben. Die absolut mangelhafte graphische Gestaltung der Plakate (Text unter den Phrasen, der selbst für direkt vor den Plakaten Stehende schwierig zu lesen ist) tut da ihr Übriges.
Was soll das? Wer ist für diese Kampagnen verantwortlich? Gerade die LINKE hatte allerlei Bedürfnisse, denen der Wahlkampf überhaupt nicht entsprach. Man wirft ihnen billigen Populismus vor, Verweigerung der Verantwortung, Sektiererei - anstatt diese Vorwürfe offensiv anzugehen und sie zu widerlegen, was wirklich möglich wäre, da sie zumindest teilweise unbegründet sind, bestätigt man sie auf jedem Plakat. Eine Partei, die auf diese Art und Weise agiert, weist jeden Gestaltungsanspruch von sich. Ich habe absolut keine Lust, eine solche Partei zu unterstützen, denn sie ist nur eine Alternative zu dem restlichen Mainstream, weil der sich bislang als Einheitsfront präsentiert hatte.
Bei der Europawahl haben sich die Grünen erstmals wieder als Gegenalternative empfohlen. Wie ernstzunehmen das ist, bleibt abzuwarten. Die SPD jedenfalls bleibt offenkundig unwählbar. Allzu offensichtlich ist die Diskrepanz zwischen Wort und Tat, und zu den Stümpern der CDU und FDP, die dank jahrzehntelanger freundlicher Medienberichterstattung von einer völlig unverdienten Aura der Kompetenz und Standhaftigkeit umgeben sind, ist ganz zu schweigen.

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