Dienstag, 22. Dezember 2009

Willkommen in Absurdistan

Die schwarz-gelbe Regierung ist noch keine drei Monate im Amt, aber ihre Regierungszeit wird bereits jetzt von Tag zu Tag absurder, ein Status, für den sich rot-grün seiner Zeit mehr als eine Legislaturperiode Zeit gelassen hat. Im Wahlkampf haben sich CDU/CSU auf einen Überbietungswettbewerb mit der FDP beim Thema Steuersenkungen eingelassen, den sie unmöglich gewinnen konnten - hat doch die Union wenigstens den Anspruch, Politik zu gestalten, worin die FDP die Macht eigentlich nur als Mittel zu sehen scheint, die eigenen Ideen auf Biegen und Brechen umzusetzen und ansonsten dem Weltuntergang vom Logenplatz aus zuzusehen - Spaßpartei reloaded, aber da war einem das Original von 2002 dann doch lieber, die waren nur albern, nicht zusätzlich auch noch gemeingefährlich.
Nachdem jetzt allen endgültig aufgefallen ist, dass die Kosten der Finanzkrise und die bisherige Staatsverschuldung den Etat beim derzeitigen wirtschaftspolitischen Kurs über die Gebühr spannen, ist der Katzenjammer eingekehrt. Die FDP ist auf Tauchstation gegangen; Westerwelle jettet durch die Welt wie es Schröder und Merkel erst am Ende der Legislaturperiode taten, in der sicheren Erkenntnis, dass rote Teppiche publikumswirksamer sind als rote Zahlen. Auch Dirk Niebel arbeitet sich lieber "in die Entwicklungspolitik ein", als weiter dumme Kommentare zu Steuersenkungen von sich zu geben. Nachdem man das von wirklich allen Seiten kritisierte Steuergeschenk für Hoteliers durchgeprügelt hat, um ja nicht mit dem Odium des Wortbruchs behaftet zu werden und nicht zugeben zu müssen, dass die eigenen Ideen nicht gerade der Brecher und höflich ausgedrückt nicht wirklichkeitskompatibel sind, hat Schäuble nun erkannt, dass er zur Einhaltung der mit großem Hallo eingeführten Schuldenbremse ab 2011 die Neuverschuldung des Bundes um jährlich 10 Milliarden senken muss - vollkommen unmöglich angesichts der Einnahmen- und Ausgabensituation des Bundes. Da eine Steuererhöhung mit der Spaßpartei nicht möglich ist und auch die CDU sich im Wahlkampf darauf festgelegt hat, muss man zur Mehrwertsteuererhöhung - die im beschränkten Horizont der schwarz-gelben das einzige Mittel zu sein scheint - noch eine mindestens einjährige Schamfrist verstreichen lassen, ehe man urplötzlich und unerwartet auftretende Sachzwänge (wie die Schuldenbremse) zur Legitimation anführen kann, wird die Situation der Regierung immer verzweifelter, die ihre Felle davon schwimmen sieht. Anders kann ich mir den neuen Vorschlag nicht erklären.
Denn angeblich plant man, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 2,8% auf 4,5% anzuheben - eine wahrlich drastische Steigerung, die, wie ich schwarz-gelb zu kennen glaube, hundertpro allein von Arbeitnehmerseite ohne Arbeitgeberausgleich getragen werden wird. Begründet wird dies damit, dass sich die geplanten Steuersenkungen anders nicht gegenfinanzieren lassen, was endgültig für den intellektuellen Todeskampf der schwarz-gelben Regierung spricht. Seit Jahren liegen uns die Neoliberalen landaus, landein mit dem Lamenta in den Ohren, dass die Arbeit in Deutschland zu teuer sei, und jetzt wollen Union und Spaßpartei mal eben 1,7% aufsatteln, einfach so. Für die Konjunktur hat das sicher grandiose Auswirkungen, und der Effekt irgendwelcher utopischer Steuersenkungen ist damit auch dahin, weswegen man sich die ganze Chose eigentlich sparen könnte. Schwarz-gelb hat sich in eine Falle aus den eigenen dummen Versprechen gegeben, die nun mit der Realität kollidieren; versucht Forderungen aus der fröhlichen Wünsch-dir-was-Oppositionszeit fröhlich umzusetzen und scheitert an der Wirklichkeit. Ich bin gespannt, wann da die Reißleine gezogen wird und wer sie reißt.

7 Kommentare:

  1. Bei der zu erwartenden Arbeitsmarktsituation und des damit einhergehenden finanziellen Kollapses der Bundesagentur für Arbeitslosigkeit, ist das nur eine von vielen Baustellen, wenngleich eine immens wichtige. Fast schon typisch, dass die Regierung damit schlicht überfordert zu sein scheint.

    Den Beitragssatz zu erhöhen bleibt damit fast die einzige Möglichkeit, Geld in dieses System zu pumpen.

    Du hast es treffend beschrieben: Hauptsache, die Steuern wurden gesenkt. Egal welche, egal wie unwichtig.

    Stümper allez...

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  2. Das die Mehrwertsteuererhoehung kommt, kann man schon fest einrechtnen.
    Vor allem natuerlich aus den genannten Gruenden.

    Aber auch deswegen, weil sie ja in den oestlichen EU-Laendern auch allgemein bei 25% liegt.
    Und man will schliesslich nicht international den Anschluss verlieren: Mehrwertsteuererhoehungen sind fuer den Export am vertraeglichsten, und um etwas anderes kuemmern sich unsere Neo-Merkantilisten ja nicht.

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  3. Eigentlich wollte ich einige Sätze zur durchaus sinnvollen Erhöhung der Arbeitslosenversicherung schreiben, doch der Spiegelfechter hat inzwischen einen viel besseren Artikel zu dieser Thematik geschrieben.

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/1500/zahltag

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  4. Als Ergänzung noch ein Link zu einer Tabelle mit den Prozentwerten von Renten- und Arbeitslosenversicherung seit 1980.

    http://www.nettoeinkommen.de/rente.htm

    Wichtig ist, daß die Beiträge paritätisch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt werden und nicht einseitig nur dem Arbeitnehmer aufgebürdet werden.

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  5. Ich komm mir langsam vor wie in einem extrem schlechten und zynischen Film. Kann mal jemand den Fernseher abstellen, bitte?

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  6. trotz alledem wuensch ich frohe weinachten und einen guten rutsch! in nachsten jahr gibts leider fuer kritische blogger ne menge zu tun! danke fuer deine vorzuegliche arbeit. werd auch weiterhin stammleser sein.

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