Montag, 30. September 2013

Warum die SPD nicht mit der LINKEn koalieren kann

Egal, welche Option derzeit im politischen Berlin durchdiskutiert wird, eine ist sicherlich nicht dabei: eine Rot-Rot-Grüne Koalition. In den unsterblichen Worten Monty Pythons: Sie scheidet völlig aus. Dafür gibt es Gründe. Einige liegen bei den Parteien selbst, einige bei der Außenwelt. Wie hat es Gustav Horn wieder ausgedrückt? "Mit der Linken kann sie nicht kooperieren. Den Wortbruch würden die Wähler nicht verzeihen." Das, mit Verlaub, ist Quatsch. Der Wähler hat schon ganz andere Sachen verziehen.

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Wo also liegt der Hase im Pfeffer? Es gibt jemanden, der der SPD diese Koalition nicht verzeihen würde, diesen Bruch eines aufgenötigten Wortes. Es ist die gesammelte Medienlandschaft, und natürlich der politische Gegner, aber den können wir getrost beiseite lassen. Nicht zu verzeihen ist quasi die Jobbeschreibung. Eine LINKE, die der SPD Hartz-IV verzeiht, wäre auch out of business. Die Obsession vieler Journalisten mit gerade diesem Thema ist merkwürdig. Die SPD hat seit 1998 ständig ihr Wort gebrochen. Ich glaube das letzte große gehaltene Versprechen war die Rücknahme von Kohls Mini-Reform bei der Rente 1998. Alles wurde der SPD verziehen, vieles davon sogar ausdrücklich eingefordert und frenetisch bejubelt, egal, ob die SPD vorher das Gegenteil versprochen hatte. Die Mehrwertsteuererhöhung 2005? Wurde der SPD nie vorgeworfen. Die Rente mit 67? Gilt heute noch als größte Tat Münteferings, obwohl sie wie kaum etwas anderes zur Entfremdung der verbliebenen traditionellen demokratischen Bataillone beigetragen haben dürfte (der DGB hat damals offen gegen die Rente mit 67 gekämpft und sich total gegen die SPD gestellt!). Steinbrücks kategorisches "keine Große Koalition", das nach der Wahl plötzlich durch seine Aussage, auch künftig verantwortungsvoll bereitstehen zu wollen, relativiert wurde? Kein Gedanke an Wortbruch, stattdessen begeistertes Spekulieren, wie es weitergehen könnte. Nein, es gibt nur eine Sache, die nie verziehen würde: die Koalition mit der LINKEn. Und ehrlich gesagt verstehe ich nicht warum. Es gibt Gründe, die dagegen sprechen, und ich werde gleich noch darauf eingehen. Aber während die LINKE nicht gerade der Traumpartner ist und die Regierung möglicherweise nicht übermäßig stabil - der Kampf gegen diese Option nimmt mittlerweile pathologische Züge an. Ich gehe davon aus, dass bei einer der Rente mit 67 vergleichbaren Berichterstattung - à la "Ja, Wortbruch, aber im Interesse des Landes, blabla" - kaum jemand der eigenen Wähler in unverzeihlicher Stimmung wäre. Im schwarz-gelben Lager sähe es sicher aus, aber seit wann muss eine Partei etwas auf die Meinung derer geben, die sich eher die Hand abhacken würden, als das Kreuz bei ihr zu machen? Das macht keinen Sinn. Daher ist das Problem hier eher eines der medialen Kampagne. Wie gesagt: keine Ahnung, warum das so ein Problem für so viele Journalisten ist. Dabei gibt es durchaus Argumente gegen diese Koalition. Erstens, eine Drei-Parteien-Koalition wurde auf Bundesebene noch nie probiert, und die wenigen Versuche auf Landesebene sind nicht eben vertrauenerweckend. Das ist natürlich kein Grund, es nicht doch zu versuchen, spricht aber zumindest für einen gewissen Risikofaktor und macht die Konsensfindung mit Sicherheit komplizierter. Zweitens, im aktuellen Bundestag hätte Rot-Rot-Grün nur eine hauchdünne Mehrheit von wenigen Stimmen. Dieses Risiko ist viel zu hoch, um es vernünftig einzugehen. Sieht man sich die bisherige bundesrepublikanische Geschichte an, so wird man bei Koalitionen mit geringen Mehrheiten vorsichtig sein. Willy Brandt hatte 1969 beim gewagten All-In mit der FDP zwölf Stimmen Mehrheit. 1971 hatte er keine mehr, es gab einen Patt im Bundestag. Peer Steinbrück müsste schon außerordentlich an die Festigkeit aller drei Parteien glauben, um dieses Risiko einzugehen. Drittens, im aktuellen Bundestag hat Rot-Rot-Grün zwar eine Mehrheit, im Volk aber nicht. Während das Argument von der "strukturellen linken Mehrheit" 2005 und 2009 wenigstens theoretische Geltungskraft haben mochte, ist die Behauptung, es gebe einen Wählerwillen hierzu, oder gar einen Auftrag, völlig absurd. Es ginge, das ist alles. Viertens, für den aktuellen Bundestag haben SPD und Grüne explizit eine Koalition ausgeschlossen. Die obigen Mechanismen machen eine 180-Grad-Wendung daher extrem risikoreich und hätten fast sicher Abweichler in den eigenen Parteien zur Folge. Bei der geringen Mehrheit braucht es nur einen kurzen Blick ins 2008er Hessen, um zu sehen wo das endet. Es gibt keinerlei innerparteiliche Vorbereitung für eine solche Koalition. Fünftens, die LINKE ist auf einigen Gebieten tatsächlich nicht wirklich konsensfähig. Ihre Haltung zu den Hartz-Gesetzen und zu Auslandseinsätzen ist mindestens ambivalent, und es ist äußerst schwierig abzuschätzen, ob alle oder auch nur fast alle LINKE-Abgeordnete im Zweifel ihrer Fraktionsführung folgen würden, wenn diese mit Rot-Grün koalierte, wo beide Gegenstände grundsätzlich nicht verhandelbar sind (in den Details natürlich, aber eine kategorische Ablehnung ist nicht zu machen). Praktisch alle diese Probleme - mit Ausnahme des fünften Punkts - ließen sich mit Vorbereitung ausschalten. Es ist von SPD wie Grünen vollkommen bescheuert, die Koalition mit der LINKEn auszuschließen. Ich rede nicht einmal davon, dass sie koalieren sollten. Die FDP, die die Ampel-Koalition ausschloss, beging den gleichen Fehler. Beide warfen strategische Optionen weg und schwächten sich gegenüber Merkel. Merkel ist derzeit alternativlos, weil alle anderen Koalitionen von mindestens einer Partei ausgeschlossen wurden. Entsprechend hat sie beim Partner Auswahl, die anderen nicht. Merkel kann theoretisch schauen, ob SPD oder Grüne mehr bieten (bzw. weniger wollen) und sich den Partner aussuchen, während beide nur mit Neuwahlen drohen können, die mindestens genauso unsicherheitsbehaftet sind wie Rot-Rot-Grün. Die SPD sollte schon allein aus strategischen Gründen, selbst wenn sie die Große Koalition anstrebt, Optionen offenhalten und aufhören, diese Option auszuschließen.

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